Dass Donald Trump 2021 nicht mehr im Weißen Haus verbringen würde, zeichnete sich noch in der Wahlnacht ausgerechnet auf Trumps Haussender Fox News ab. Mit der Zurechnung des Bundesstaats Arizona zu Joe Biden leitete der konservative Nachrichtensender einen Trend ein, der sich erst Tage später bestätigen sollte. Auch andere Murdoch-Medien – so auch The Wall Street Journal (WSJ) – waren im Vorfeld der US-Wahl auf Distanz zum republikanischen Präsidenten gegangen.

Bereits mehr als drei Millionen Abonnenten

Das Pflichtblatt der US-Börsen, das seit der spektakulären Übernahme des Dow Jones-Verlags 2007 zu Murdochs News Corp-Imperium gehört, hat in der Trump-Ära ähnlich wie die New York Times einen deutlichen Wachstumsschub erlebt, der im Mai mit Durchbruch durch die historische Marke von drei Millionen Abonnenten (Print- und Digital zusammen) gipfelte.

Auch im jüngsten Quartal konnte Konzernchef Robert Thompson erneut einen deutlichen Abonnentenzuwachs vermelden, der sich von anderen Medien innerhalb des Dow Jones-Verlags abhebt. Im dritten Kalenderquartal konnte News Corps Leuchtturmmedium in der Gesamtheit bereits 3,1 Millionen Abonnenten ausweisen – 19 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Bei digitalem Erlösanteil vor der NYT

Wie auch beim Rivalen New York Times wächst vor allem das Digitalgeschäft: 2,35 Millionen Online-Only-Abonnenten konnte The Wall Street Journal im jüngsten Geschäftszeitraum ausweisen – das sind gleich 27 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum 2019. In den ersten Quartalen des vergangenen Jahres konnte das WSJ insgesamt mehr als 350.000 neue Digital-Abonnenten gewinnen. Das Onlineangebot des Wall Street Journals war bereits für 76 Prozent der gesamten Abonnentenumsätze verantwortlich.

Die Digitalsparte der Dow Jones Company, zu der auch die Wochenmagazine Barron’s und Financial News, das Börsenportal Marketwatch und der Finanzinformationsdienst Dow Jones Newswires gehören, erzielt unterdessen bereits 73 Prozent der gesamten Konzernumsätze (inklusive Werbeerlöse) – ein deutlicher Zuwachs gegenüber den 65 Prozent im Vorjahresquartal. Die Monetarisierung des Digitalgeschäfts ist beim 139 Jahre alten Verlagshaus aus dem Financial District damit deutlich weiter fortgeschritten als bei Branchenprimus NYT, der erst im vergangenen Sommer mit der Digitalsparte mehr umsetzte als mit den Printerlösen.

WSJ kritisiert Twitter-Sperre von Trump

Sorgen, nach den Kontroversen der Trump-Ära weniger Leserzuwachs zu verbuchen und damit unter dem in der Branche befürchteten „Trump slump“ zu leiden, hat Geschäftsführer Karl Wells nicht. „Wir haben zum Glück keine Seite gewählt, was bedeutet, dass uns der Amtswechsel nicht beeinflusst“, erklärte Wells im Dezember gegenüber dem britischen Medienportal PressGazette.

Den Vorwurf, einseitig mit der Trump-Ära abzurechnen, muss sich das WSJ unterdessen auch inhaltlich nicht vorwerfen lassen: Als eines der ersten Qualitätsmedien sprach sich die Wirtschaftszeitung gegen die Twitter-Sperre des scheidenden Präsidenten aus. „Ich sehe nicht, wie das Sinn ergibt oder amerikanisch ist“, kritisierte etwa Korrespondentin Kimberly Strassel die endgültige Verbannung von Trump aus seiner bevorzugten Social Media-Plattform – und befand sich damit in bester Gesellschaft mit der deutschen Bundeskanzlerin.

Der Autor

Nils Jacobsen
Nils Jacobsen
Nils Jacobsen ist Wirtschaftsjournalist und Techreporter in Hamburg. Der studierte Medienwissenschaftler und Buchautor („Das Apple-Imperium“ / „Das Apple-Imperium 2.0“ ) berichtet seit 20 Jahren über die Entwicklung der Aktienmärkte und digitalen Wirtschaft: seit 2008 täglich für den Branchendienst MEEDIA, in einer wöchentlichen Kolumne für Yahoo Finanzen und in monatlichen Reportagen für die Marketingzeitschrift absatzwirtschaft. Jacobsen war zudem als Chefredakteur der Portale CURVED, clickfish, US FINANCE und YEALD aktiv.